Offene Worte: Warum ich als Feministin Rap höre

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Gewaltverherrlichend. Homophob. Sexistisch. Warum um alles in der Welt feiere ich diesen asozialen Scheiß? Ein selbstkritischer Erklärungsversuch:

Kann eine Musikrichtung, deren weibliche Protagonisten sich mit den Worten „Jetzt sind die Fotzen wieder da“ ankündigen, feministisch sein? Aus meiner Sicht: Natürlich.

Vielleicht sogar besonders gut, weil sie weiß, wie sich Frauenfeindlichkeit anfühlt. Ein Beispiel für feministisches Engagement aus der deutschen Rapszene ist die diesjährige Petition #RKellystummschalten. Vertreterinnen aus der hiesigen HipHop-Szene forderten damit, die Deutschlandkonzerte des US-Stars aufgrund von Pädophilie- und Vergewaltigungsvorwürfen abzusagen. Ein verbleibender Veranstalter argumentiert daraufhin, man müsse Künstler und Privatperson voneinander getrennt betrachten und R.Kellys musikalisches Vermächtnis sei Grund genug, ihm in Form eines Konzertes dafür eine Plattform zu bieten. Um sein Argument zu untermauern, weist er auf die Spotify Playlisten der Petitions-Initiatorinnen hin und tatsächlich – unter ihren Top-Songs finden sich einige Künstler wieder, deren musikalische Inhalte für jemanden außerhalb der Szene erst einmal widersprüchlich erscheinen. Ich bin weiter dafür, dass R.Kelly keine Bühne bekommt, die Argumentation des Veranstalters trifft mich dennoch. Denn in Wirklichkeit habe ich selbst keine befriedigende Antwort darauf, wie ich mit meinem feministischen Selbstverständnis noch ruhig einschlafen kann, nachdem ich erst letztes Wochenende „bringst deine Alte zu ’nem Live-Konzert mit, und danach bläst sich auf dem Beifahrersitz“ mitgegrölt habe.

Ich habe einen Abschluss in Gender Studies, während ich zeitgleich selbst „Pornorap“ gemacht habe.

Mittlerweile wird R.Kelly in den USA der Prozess gemacht, die Konzerte sind abgeblasen – die Frage bleibt für mich trotzdem: wie kann ich mich gegen Gewalt und Missbrauch von Frauen einsetzen und gleichzeitig Deutschrap mit teils frauenverachtenden Inhalten feiern? Zugegeben – mein Werdegang ist ohnehin ein Paradox. In meinem Lebenslauf steht ein Theologiestudium. Ich habe einen Abschluss in Gender Studies, während ich zeitgleich selbst „Pornorap“ gemacht habe. Dabei habe ich explizite Lyrics immer gern als sarkastisches Element gerechtfertigt, um auf den Sexismus im Rap hinzuweisen ohne dabei den Zeigefinger zu heben – wie es aus meiner Sicht beispielsweise Sookee tut. SXTN haben diese Metaphorik mit ihrem Track „Hass Frau“ dagegen perfektioniert. Eine Aufnahme von Alice Schwarzer, wie sie einen King Orgasmus One Text vorliest, als Sample für die Hook zu nehmen, ist jetzt schon legendär. Leider hat den Sarkasmus damals kaum jemand verstanden, vielleicht habe ich es aber auch einfach schlecht gemacht.

Bei meiner Recherche für diesen Artikel bin auf einen Artikel anlässlich des Weltfrauentags (sic!) gestoßen: die 5 frauenfeindlichsten Deutschrap Songs. Fazit: von Minute eins grölte ich die Texte mit, wie andere Ballermannhits.

Bin ich ein anspruchsloser Partyrap-Mitläufer?

So einfach ist es dann leider doch nicht. Ich beschäftige mich wirklich viel mit Rap. Ich kann schon einen guten Flow von einem schlechten unterscheiden. Dope Rhymes von Haus-Maus Rap. Und ich hab auch eine ziemlich klare Meinung darüber, wer noch kredibil ist und wann sich ein Rapper an Popscheiße verkauft hat. „Du musst blasen während ich auf der Toilette sitz und scheiße“ ist mir immer noch lieber als eine Hook mit Mark Forster.

Mag ich einfach nur die schönen Melodien und die lustigen Reime?

Vielleicht ist es das?! Ich lege ja offensichtlich viel Wert auf Technik: die Reime, die Beats, die Melodien, bestimmte Soundeffekte – aber warum muss es immer prollig sein? Wieso bin ich die erste, die beim neuen Savas Album das Kotzen kriegt? Ich höre gerade Porno Party 2 von Frauenarzt und Mr. Long im Hintergrund. Nein, schöne Melodien und gute Reime – das kann ich als Kernursache für mein Proll-Rap-Dasein definitiv ausschließen.

Will ich Teil einer Subkultur sein?

Auch wenn einige Songs und Rapper mittlerweile Mainstream sind, Deutschrap bleibt immer noch eine Subkultur. Nun bin ich zwar kein Teenager mehr, dennoch bin ich gern Teil dieser unangepassten Szene. Dieses Argument alleine zieht aber nicht – ich hätte mich schließlich auch der Punk-Szene anschließen können, die meinen politischen Werten weit näher steht. Außerdem, seien wir mal ehrlich: Deutschrap nur zu feiern weil es Untergrund ist, wäre schon ziemlich whack.

Bin ich Masochistin?

Warum bleiben Frauen bei Partnern, die ihnen nicht gut tun? Warum bleibe ich bei einer Musikrichtung, die mein Geschlecht verachtet? Vielleicht gibt es einen psychologisch tiefergehenden Grund dafür.

Immer wieder sehe ich Frauen in Diskussionsrunden, die sich partout gegen eine Opferrolle wehren und meinen, Frauen sollen sich doch nicht so anstellen. Damit bestreiten sie die Existenz – zumindest aber die Relevanz – von sexueller Belästung, Mansplaining, Gender-Pay-Gap und Sexismus auf offener Straße sowie im Beruf. Für mich ein absolutes No-Go. Aber beim Deutschrap setzt da eine Synapse aus. Vielleicht habe ich ihn ja auch – einen Minderwertigkeitskomplex resultierend aus der normativen Männlichkeit des westlichen Patriarchats.

Ist Deutschrap meine Art von Emanzipation?

Dieser Erklärungsversuch gefällt mir natürlich am besten, auch wenn er an mehr als einer Stelle bröckelt. Trotzdem: Deutschrap hält meinen feministischen Kampfgeist aufrecht. Und auch in der Szene sieht man: Was in den USA schon längst Gang und Gäbe ist, etabliert sich endlich auch in Deutschland. Frauen wie Nura und Juju (ehemals SXTN), Loredana, Haiyti oder Eunique erobern sich aktuell ihren Platz ganz oben in der Männerdomäne Deutschrap und zeigen wie wichtig es ist, dass Frauen sich ihre Leidenschaft nicht von den sexistischen Lines ihrer männlichen Vorbilder (denn weibliche gab es bis dato ja kaum) haben nehmen lassen. Dabei ist es unausgesprochenes Gesetz, dass Frauen im Rap sich nicht gegenseitig heruntermachen sondern pushen. Deswegen holt sich eine Nura zum Beispiel auch Katja Krasaviche ins Musikvideo anstatt sie zu dissen. Alles in allem sind sie vielleicht nicht hundertprozentig politisch korrekt, aber eines zeigen sie ganz deutlich: Asi-Rap funktioniert auch ohne Frauenfeindlichkeit! Und ich kann zumindest bei diesen Künstlerinnen schon ohne schlechtes Gewissen mitgröhlen.

Übrigens: Es gibt auch echten, feministischen Rap – und der kommt von KlitClique.

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