Gender Diskussion – Nichts ist erledigt

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Wer die öffentliche Gender-Diskussion mitverfolgt merkt schnell, dass es sich um eine komplexe Problematik handelt, die ganz unterschiedliche Perspektiven hervorbringt. Das Problem ist ein globales. Unsere Autorin findet, dass das Thema noch lange nicht geklärt ist.

„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ Dieser – oft falsch zitierte – Satz entstammt dem Buch „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir und fasst die Aussagen des über 900 Seiten schweren Pionierwerks der feministischen Philosophie prägnant zusammen. 1949 brachte de Beauvoir die damals provokante These hervor, dass das Geschlecht nicht etwa eine biologische Tatsache sei, sondern eine soziale und kulturelle. Unterdrückung stand für de Beauvoir im Zentrum des Frauseins: eine Art Ausgeliefertsein an gesellschaftliche Machtstrukturen. 70 Jahre später befinden wir uns heute mitten im Diskurs über Geschlechterrollen, Gleichberechtigung und Antidiskriminierung und haben noch viel zu verhandeln.

Gender-Stern und Gender Pay Gap – Die heutige Gender Diskussion

Anno 2019: Die aktuelle Gender Diskussion scheint hitziger und kontroverser denn je. So wie es oft passiert, wenn sich polarisierte Lager bilden, deren Ziel es ist, sich gegenseitig von der Falschheit der anderen Position zu überzeugen. Beim Thema Gender wird entweder ein konservatives Verständnis von Geschlechtern im Sinne der binären Ordnung männlich vs. weiblich vertreten, oder in der Tradition des Feminismus für eine Überwindung dieser Ordnung und eine Vielfalt der Lebensentwürfe eingetreten. Schlagworte wie Gender Pay Gap und #MeToo entfachen Grabenkämpfe um Werte und Weltanschauungen, die Diskussion über geschlechtergerechte Sprache kommt einem Glaubenskrieg gleich und eröffnet Auseinandersetzungen, die viel tiefer gehen und gesellschaftliche Normen hinterfragen.

Language Is Power – Geschlechtergerechte Sprache

Nehmen wir das Thema der geschlechtergerechten Sprache: Gegner*innen werfen den Befürworter*innen bisweilen vor, dass sie die Sprache verunstalten und bezeichnen den Gender-Stern als Unfug. Von der anderen Seite wird argumentiert, dass Machtstrukturen sich durch Sprache manifestieren und Geschlechtergerechtigkeit erst dann wirklich entstehen kann, wenn sie auch sprachlichen Ausdruck findet.

Ich gebe zu, ich finde es anstrengend, geschlechtergerecht zu schreiben. Eine besondere lyrische Qualität kann ich darin auch nicht entdecken. Trotzdem halte ich die Auseinandersetzung für wichtig, denn es geht hier nicht nur um Sprache, sondern um strukturelle Ungerechtigkeit, die sich eben auch – ja – durch die Sprache ausdrückt und transportiert. Man kann natürlich weiter darüber diskutieren, ob so ein Stern nun nervt oder total toll ist. Man kann aber auch einfach mal durchatmen und sich überlegen, worum es hier eigentlich geht. So unterschiedlich die Themen sind – von Sprache über Pay Gap bis zu Missbrauch – sie haben eine wichtige Gemeinsamkeit: Es geht hier um Unterdrückung und Diskriminierung. Etwas, bei dem in unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft die Alarmglocken läuten müssen. Das Gegenteil von Gleichberechtigung.

Gender Diskussion, oder: Der lange Weg zur Gleichberechtigung

Die Weltbank hat gerade herausgefunden, dass nur in sechs Ländern weltweit Frauen rechtlich wirklich gleichberichtigt sind. Nicht gerade ein Zeichen dafür, das wir uns mit dem „Gender-Unfug“ nicht mehr auseinandersetzen müssen. Und das obwohl wir hier noch in der Zweigendernorm bleiben und Personen außen vorlassen, die sich hier nicht einordnen. Durch ist das Thema definitiv noch nicht. Die Frage ist aber, ob wir die richtigen Kämpfe austragen, um den Zielen Gleichberechtigung und Diversität näher zu kommen. Denn es sind die gesellschaftlichen Strukturen und Normen, die nach wie vor eine unterdrückende Wirkung auf bestimmte Lebensentwürfe und Wertesysteme haben.

Hinter all diesen Debatten und Diskussionen steckt also der Kampf um Gleichberechtigung. Und da ist es erst einmal nebensächlich, ob es um #MeToo oder Gender Pay Gap geht. Das sind lediglich Symptome, die es immer geben wird, solange keine wirkliche soziale Gerechtigkeit besteht. Das bedeutete, das niemand in der Gestaltung seines Lebens von anderen unterdrückt wird oder andere unterdrückt. Mir bleiben hier die Worte Simone de Beauvoirs: „Der Frau bleibt kein anderer Ausweg, als an ihrer Befreiung zu arbeiten. Diese Befreiung kann nur eine kollektive sein.“ Ersetzen wir doch das Wort „Frau“ mit einem Gender-Stern!

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Autor

Frieda arbeitete für mehr als 10 Jahre als Journalistin. Sie schrieb über Osterrezepte und Stilikonen, über den menschlichen Stoffwechsel und Michelin-besternte Restaurants. Kurzum: Sie schrieb über alles. Bis auf Sex. Und das aus gutem Grund. Lange hielt Frieda sich für durchschnittlich sexuell und überließ das Expert*innenwissen lieber anderen. Bis eine Trennung sie bewog, die Pille nach 14 Jahren abzusetzen. Da war Frieda 28. Und erst zu diesem Zeitpunkt entdeckte sie ihre wunderbare Sexualität neu. Und ihre wahre, echte, hungrige, einzigartige Libido. Seitdem praktiziert sie Sex nicht nur auf eine ganz neue Art und Weise. Sie schreibt und spricht auch darüber. Und war noch nie so erfüllt wie heute!